Sechs Richtige!

BJB
5 min readApr 3, 2021

Der Betrieb von Gebäuden hat nach wie vor einen großen Anteil an den CO2 Emissionen. Durch Maßnahmen wie den Umstieg auf Gasheizung, Verbesserung der Isolierung etc. konnten die Emissionen im Gebäudesektor bereits reduziert werden. Die alleinige Fortschreibung dieser Dynamik würde jedoch dazu führen, dass die Klimaziele von 2030 nicht erreicht werden. Wir müssen also dringend die Geschwindigkeit, mit der wir die Emissionen im Gebäudesektor reduzieren, erhöhen.

Ganz gleich ob im Neubau, bei Sanierung und Umnutzung oder bei kleinen Anpassungen im Betrieb. Eigentümer.innen sollten sich an den folgenden sechs Prinzipien, Verfahren und Technologien orientieren. Damit sichern sie den Wert ihrer Immobilie und legen die Grundlage für eine energieeffiziente und ressourcenschonende Betriebsphase.

Erstens: Unbedingt die EBPD beachten

Die Vorgaben aus der European Building Performace Directive (EPBD) von 2018 sollten bei Investitionsentscheidungen dringend beachtet werden. Die Anforderungen aus der EPBD wurden zwar noch nicht in deutsches Recht übernommen. Dies ändert aber nichts daran, dass die EPBD und die dort getroffenen Vorgaben für die EU-Mitgliedstaaten rechtsverbindlich sind.

Die EPBD 2018 formuliert Anforderungen in den Kategorien Kommunikationsfähigkeit und Monitoring; Steuerung und Regelung; Aufladen von Elektrofahrzeugen und den Smart Readiness Indicator (SRI).

Viele Gebäude müssen entsprechend der EPBD künftig mit Systemen für die Gebäudeautomatisierung und Monitoring ausgerüstet werden. Um den Anforderungen an Monitoring und Regelungstechnik gerecht zu werden, sollte frühzeitig die Installation der technischen Infrastruktur bedacht werden, denn die spätere Nachrüstung von Sensorik und Aktorik ist aufwendig und teuer.

Zweitens: Messkonzept aufstellen und Zähler installieren

Eine Zählerinfrastruktur ist die notwendige Voraussetzung für den energieeffiziente Betrieb von Gebäuden. Ohne detaillierte Kenntnis über den Verbrauch können zielgerichtete Maßnahmen weder geplant noch kontrolliert werden. Auch kann man nur mit Zählern heimlichen Verbrauchern auf die Spur kommen.

Weiter wird eine Zählerinfrastruktur für die Abgrenzung von Drittverbäuchen benötigt. Für die Rückerstattung der Stromsteuer sind solche Abgrenzungen schon heute Pflicht. Um sicherzustellen, dass die Zähler an den richtigen Stellen installiert werden, ist ein Messkonzept unabdingbar.

Eigentümer mit mehreren Gebäuden sollten darauf achten, dass die Verbrauchswerte übergreifend erfasst und ausgewertet werden können. Dies ist eine wichtige Grundlage für eine portfolioübergreifende Optimierungsstrategie, die auch zunehmend von Investoren gefordert wird.

Drittens: Datenpunkte so benennen, dass diese ohne Umweg für Optimierungsverfahren verwendet werden können

Alle technischen Systeme haben Datenpunkte. Um diese systemisch verarbeiten zu können, müssen die Datenpunkte eindeutig bezeichnet werden. Meist geschieht das während der Installation. Einzelne Unternehmen folgen hier bereits einer Konvention und haben sogenannte Datenpunktschlüssel oder Anlagenkennschlüssel definiert. Man kann sich das etwa vorstellen, wie die Bezeichnung der Räume in einem Gebäude. Hier folgt man einer klaren Konvention, um Räume auffindbar zu machen. Doch selbst in diesen wenigen Fällen in denen Datenpunkte nach einer festgelegten Methode bezeichnet werden, sagen diese nichts über die systemischen Zusammenhänge aus. Anhand der derzeit verwendeten Bezeichnungen ist zum Beispiel nicht ersichtlich welche Komponenten zu einem technischen System gehören. Dabei ist es von hoher Relevanz zu wissen, welche Wirkungszusammenhänge es gibt. Semantische Bezeichner oder eine Ontologie kann hier Abhilfe schaffen und bildet auch eine entscheidende Grundlage für die Optimierung des Gebäudebetriebs.

Viertens: Kombiniertes Building-Energy Management Energiemanagementsystem (BEMS) einführen

Verfügt ein Gebäude über eine Automation, ist meist auch eine Gebäudeleittechnik verfügbar. Für die Betriebsverantwortlichen ist die Leittechnik ein wichtiges Werkzeug, mit der sie umfangreiche Analysen durchführen und aus der Distanz auf die Automationstechnik zugreifen können.

Energiemanagement Systeme sind mittlerweile ebenfalls sehr verbreitet. Meist sind diese Systeme jedoch in Organisationsbereichen angesiedelt, die wenig Berührungspunkte mit dem Gebäudebetrieb haben. Das ist schlecht, denn nur wenn Energiemanagement und Gebäudebetrieb sich auf die gleichen Daten beziehen und Verbräuche auf Beobachtungen im Gebäude bzw. in den Anlagen bezogen werden können, sind nachhaltig Einsparungen möglich. Am einfachsten wird dies mit einer Softwarelösung erreicht, die Betrieb und Verbräuche in einem System abbildet. Mit solch einem BEMS werden Defizite schnell erkannt und Maßnahmen können punktgenau geplant und deren Wirkungen überwacht werden.

Fünftens: Luftwechselrate am Bedarf ausrichten

In vielen Gebäuden mit automatischer Lüftung ist die Luftwechselrate viel zu hoch. Das erzeugt enorme Kosten. Zum einen ist es sehr kostspielig Luft zu bewegen, zum anderen wird insbesondere dann, wenn kein Wärmetauscher installiert ist, im Winterhalbjahr unnötig viel warme Luft nach außen geführt.

Eine bedarfsgerechte Lüftung orientiert sich am CO2 Gehalt der Raumluft. Dieser Wert kann mit günstigen Sensoren erfasst und als Grundlage für die Regelung der Anlage verwendet werden. Mit einer günstigen Maßnahme kann hier eine enorme Einsparung realisiert werden.

Ein weiterer Einspareffekt ergibt sich aus der automatischen Anpassung solch bedarfsgeregelter Systeme an Öffnungszeiten etc. In herkömmlich geregelten Systemen ist zwar meist ein Kalenderprogramm vorhanden, über das Öffnungszeiten gesondert gepflegt werden können. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass solch Programme schlecht oder gar nicht gepflegt werden oder die Programme durch Handbetrieb überstimmt wurden.

Sechstens: Automation um eine vorausschauende Regelung ergänzen

Die Gebäudeautomation regelt nach festen Prinzipien und orientiert sich dabei an aktuellen Zuständen wie z.B. einem CO2 Wert, über den der Luftaustausch optimiert wird. Ergänzend werden Kalender genutzt, um die Anlagentechnik an Öffnungs- und Nutzungszeiten auszurichten. Die kontinuierliche Ausrichtung des Anlagenbetriebs an zukünftigen Gegebenheiten allein durch die Automationskomponenten ist jedoch, bedingt durch die dafür benötigte Rechenkapazität, nicht möglich. Das Einsparpotential einer Prädiktiven Regelung ist jedoch enorm. Für solche Systeme wird ein digitales Gebäudemodell benötigt. Daten sind hier der Dreh- und Angelpunkt. Für dieses werden Daten aus dem Gebäude über einen längeren Zeitraum aufgezeichnet. Mit diesem Modell kann zu jeder Zeit und unter verschiedenen Bedingungen das Verhalten des Gebäudes und dessen Bedarf an Heizung, Klimatisierung und Lüftung simuliert werden. Durch intelligente Prognosen wird genau so viel Wärme, Kälte und Frischluft bereitgestellt, wie für ein optimales Raumklima benötigt, mit so wenig Energieeinsatz wie möglich. Eine Prädiktive Regelung hält das Klima im Gebäude stabiler und garantiert zufriedene Kunden und Mitarbeiter.

Wer diese Prinzipen verfolgt, mehr automatisiert, den Grad der Vernetzung erhöht und auf eine datenbasierter Optimierung setzt, kann enorme Einsparungen realisieren und nachhaltig den Wert seiner Immobilie erhöhen. Im Neubau wie auch im Bestand ist eine Dateninfrastruktur die Basis für nachhaltige Optimierung. Mit dem Förderprogramm Effiziente Gebäude unterstützt der Bund diese Maßnahmen. Dieses Programm ist beihilfefrei. Das ermöglicht die einfache und sichere Inanspruchnahme der Zuschüsse mit minimalem administrativen Aufwand. Entscheidend für die Förderung ist lediglich, dass durch die Maßnahme die Effizienz der Anlagentechnik erhöht wird. Was dafür im einzelnen gemacht werden muss, hängt vom Gebäude und dem Stand der Anlagentechnik ab.

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